Neuseeland: back to Christchurch

Nach dem abenteurlichen Kayaken in der Wilderness des Doubtful Sound mieteten wir in Te Anau ein Auto, um nicht mit dem Bus wieder über die über lange Strecken wenig spannende Highway 1 an der Westküste zurück nach Christchurch fahren zu müssen, zumal an anderen Wege viele schöne Orte liegen – und man mit dem Auto doch erheblich einfacher Fotostops einlegen kann, ohne jedes mal im Bus den roten Alarmknopf zu betätigen und irgend eine Ausrede finden zu müssen.

So fuhren wir am Montag Mittag bei strahlend schönem Wetter von Te Anau Richtung Wanaka, durch schöne, teilweise recht wilde Steppenlandschaften, gepünktelt mit den unvermeidbaren tausenden und abertausenden von Schafen, Rindern, Sträussen, Rehen und Hirschen. Ein kurzer Zwischenhalt in Athol, in der Mitte von Nirgendwo – einer der typischen, aus vielleicht 2 Cafes und 3 Häusern bestehende Orte, wobei dieser sich durch ein Schild auszeichnete, der auf ein „Graphic Studio“ aufmerksam machte – ergab die für den weiteren Verlauf unserer Reise eventuell wertvolle Erkenntnis, dass die Portionierungen von Glacé schweizerischen Gepflogenheiten nur am Rande entspricht: eine Kugel Glacé vermag den Tagesbedarf an Kalorien einer Person bei weitem zu decken, die so genannte zwei Kugeln-Portion würde in der Schweiz wohl allenfalls als Coupe Tête-à-tête für Familien problemlos verkauft werden.

Am schönen Lake Wakatipu angelangt wussten wir, dass etwa die Hälfte des Weges geschafft war, denn an diesem See liegt auch Neuseelands „Spasskapitale“ Queenstown, die dann auch schon bald in der Ferne zu glitzern begann. Allerdings vermute ich nachträglich, dass auch hier unser gänzlich unbeabsichtigter Frevel gegen die Götter der adrenalinaustoss-fördernden Spasssportarten begann, denn wir einigten uns problemlos darauf, dass niemand die geringste Lust verspürte, sich den Freuden von Bungee jumping, Skydiving , Whitewater Kayaking, Jetboating, River Rafting usw. verspürte.

Wir liessen also Queenstown links liegen, hielten aber einige Kilometer weiter immerhin am Ursprungsort des kommerziell betriebenen Bungee jumping, um uns über die unter den Augen ihrer Eltern und Freunde Herunterspringenden, den Videokameras («Prove you did it!») Zuwinkenden köstlich zu amüsieren (dass Peter Jackson genau in diesem Fluss die eindrückliche Sequenz der Einfahrt mit den Königsstatuen in «The Fellowship Of The Rings» gedreht hat, habe ich leider erst danach gelesen).

Wanaka

Auf dem Weg nach Wanaka nahmen wir einen kurzen Umweg in Kauf, um einen Abstecher nach Bannockburn zu machen; leider aber waren die Wineries und Tasting Cellars (Mount Difficulty, Carrick, Felton Road, Bannock Brae) bereits geschlossen, sodass wir durstig weiterfahren mussten.

Immerhin hatten wir es versucht und konnten so unser Gesicht vor Wendy, die wir beim Kayaken kennen gelernt hatten, einigermassen wahren, denn sie hatte uns in ihrem schottischen Akzent eindringlich und sympathischerweise weisgemacht, dass «It would be a crime just driving by and not tasting some Pinot there, a crime!».

Zur Beruhigung empfindlicher Naturen unter unseren Lesern: natürlich wurde dieser kleine Misserfolg am selben Abend in aller Form wieder zurecht gebogen.

In Wanaka trafen wir im Hostel wieder auf Wendy, und machten uns bald schon wieder auf, um am Seeufer entlang, mit tollem Blick auf die teilweise schneebedeckten Spitzen der Mount Aspiring Ranges, unserem verdienten Dinner entgegen zu spazieren.

Am Ende der kurzen Promenadekonnte das «Relishes»-Café mit einer sehr schönen Karte, zum Beisiel in Wodka marinierter Lachs auf kleinen Zwiebelrösti-küchlein, blutig angebratenes zartes NZ beef und einer wunderbar unkomplizierten und lockeren Atmosphäre klar und ohne nennenswerte Konkurrenz überzeugen.

Als wir dann merkten, dass sie ausser einer hübsch bestückte Karte auch BYO anbieten, und dass gleich um die Ecke ein sensationell gut sortierter Bottle Store liegt, war die Entscheidung schnell gefallen. Wendy und ich begaben uns kurzerhand in den Bottle Store und stöberten gute 15 Minuten durch Regale voller schöner Produkte aus Neuseeland, die ebefalls reichlich vorhandenen Australier, Franzosen und anderen Südamerikaner mit Nichtbeachtung strafend, bevor wir uns für einen Pinot Gris 2004 von Mount Difficulty sowie einen Pinot Noir Reserve 2002 von William Hill einigten. Wir haben die Wahl keine Sekunde bereut, obwohl sich der Pinot als fast zu komplex für das lustvolle Trinken herausstellte – ganz im Gegensatz zum gefährlich trinkfreudigen Saddleback Pinot Noir des Vorabends in Te Anau (Abschiedessen der Kayaktour-geprüften), von dem zwei oder drei Flaschen an unserem Tisch hatten den Geist lassen müssen.

Mount Cook

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg Richtung Lake Tekapo, durchquerten dabei den eindrücklich leeren und trockenen Lindis Pass, wo bald die fast australisch oder amerikanisch anmutende, riesige, flache und grossenteils trockene Hochebene des Mackenzie Country beginnt. In der Ferne werden dabei immer wieder hohe, völlig schneebedeckte Berggipfel sichtbar – die Spitzen des Gebietes um den mächtigen Aoraki (zur Vorbeugung gegen mögliche grosstürkische oder spätosmanische Phantasien: das hat nichts mit Raki zu tun) Mount Cook – ein inmitten trockener gelb-oranger Tussockwiesen irgendwie irreel anmutender Anblick.

Nach einem kurzen Abstecher durch die verwirrende Strassenanorndung des hauptsächlich durch Lord Of The Rings bekanntgewordene, eher verschlafene Städchens Twizel (der grossartige Angriff der Rohirrim in der Schlacht um Pelennor Fields wurde in der Nähe gefilmt) fährt man bald schon am Rande des Lake Pukaki, einem künstlichen Stausee mit Schmelzwasser der grossen Gletscher, ob dessen gleissend türkisfarbenem Wasser man sich beinahe die Augen reibt und sich zeitweise wundert, ob die Kiwis nicht zwecks Steigerung der Photogenität allenfalls irgendwelche Farbmittelchen beisteuern. In der Ferne strahlt dabei majestätisch der Mount Cook – ein unwiederstehlicher Anblick, der unzweifelhaft schon Abermilliarden von Bytes auf digitalen Fotogeräten gefüllt haben muss.

Lake Tekapo

Auf der Suche nach der gebuchten Unterkunft im «Tailormade Lake Tekapo Backpackers» durchfuhren wir gleich zu Beginn die ganze Ortschaft, also die ganze Länge der etwa 10 oder so Häuser, welche das VC, das Village Center, ausmachen. Einige Meter hinter der Hauptstrasse fanden wir dann das Backpackers und beschlossen innert kürze, eine weitere Nacht zu buchen – das Haus ist äusserst gemütlich und friedlich, essentielles wie Hängematte und Barbeque-Grill im Garten sind vorhanden und werden auch freudig benutzt – wie in einem Reiseführer danach gelesen und bestätigt: ein perfektes «home away from home».

Lake Tekapo wiederum ist eine weitere, schlicht perfekt gelegene Ortschaft an einem traumhaften Gletschersee, mit beeindruckender Bergkulisse. Eine Wanderung zum Observatorium auf den nahegelegenen Mount John (die Mackenzie-Ebene ist beinahe menschenleer, ausgesprochen wolkenfrei – siehe weiter unten – und bietet die beste nächtliche Sternensicht ganz Neuseelands) brachte nicht nur verblüffend originalgetreue Hobbit-Füsse, sondern auch die Aussicht auf sich 360 Grad rundum in der Ferne stauende Wolkenmassen, während das Wetter in der Hochebene strahlend blau und die Sonne ozonlöchrig intensiv war.

Für den Europäer, speziell den Schweizer, ist dabei vielleicht das fast völlige Fehlen jeglicher menschlicher Spuren, vor allem bei Nacht, wenn sich die riesige flache Ebene ohne auch nur ein einziges künstliches Licht vor einem ausbreitet und ausser den Vögeln im Wald und dem Rauschen des Windes nicht der kleinste Lärm hörbar ist, die atemberaubenste Eigenschaft. Absolut idyllisch… wenn auch die Idylle zugegebenermassen durch relativ nahe Schussgeräusche etwas plötzlich und unerwartet unterbrochen wurde, welche die Touristen zum raschen, man könnte sogar sagen hastigen Rückzug schnell überredet hatten. Am nächsten Tag sollte dann allerdings unsere Reise ein ebenso überraschendes wie plötzliches Ende finden, da wir es somit offenbar immer noch fahrlässigerweise unterliessen, die Götter des Adrenalinaustosses zu befrieden…

Crash